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Das große Geld in der Pflege. Der ehrliche Blick eines Business Angels

Olav Sehlbach ist seit 30 Jahren leidenschaftlicher Unternehmer und Business Angel in der Pflegebranche. Mit ihm haben wir über Startups, das nötige Geld und Innovation gesprochen.

Porträt von Pflege-Unternehmer & Business Angel Olav Sehlbach
Pflege-Unternehmer & Business Angel Olav Sehlbach

Olav Sehlbach ist leidenschaftlicher Unternehmer und Business Angel mit fast 30 Jahren Erfahrung in der Pflegebranche. Vor knapp 30 Jahren gründete Olav Sehlbach das Unternehmen, das die Grundlage für alle weiteren Stationen und Abenteuer werden sollte: "Olav Sehlbach - Beratung und EDV für soziale Einrichtungen". Seitdem hat er in zahlreiche Startups investiert und sich auf die Beratung von Pflegeeinrichtungen und Institutionen in der Pflegebranche spezialisiert.

Nur weil sie eine gute Idee haben und irgendwas viral geht, heißt das noch lange nicht, dass es irgendeiner kauft.

Im Jahr 2012 gründete Sehlbach gemeinsam mit anderen die TAOS GmbH. Sie führten die Mitarbeiterbefragung & Zertifizierung Attraktiver Arbeitgeber Pflege ein und widmeten das Unternehmen 2016 in die heutige sehlbach & teilhaber gmbh um. Die Firma konzentriert sich auf Mitarbeiter- und Kundenbefragungen sowie auf die Entwicklung von Strategien und Vermarktungskonzepten für professionelle Pflegeeinrichtungen und Institutionen, die sich in der Pflegebranche engagieren.

Im Jahr 2023 initiierte Sehlbach den Care Venture Circle, ein Netzwerk von in der Pflege aktiven Business Angels mit dem gemeinsamen Ziel neue Konzepte in der Pflege zu fördern und unter dem Motto "Innovationen in die Pflege fördern" Startups der Pflege- und Sozialwirtschaft bei der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen zu unterstützen. Neben Sehlbach gehört zum Vorstand Dr. Stefan Arend, Inhaber des Instituts für Sozialmanagement und Neue Wohnformen, sowie Stephan Bals, CEO der digatus it group AG.

Als Business Angel hat Sehlbach in verschiedene Start-ups investiert, darunter Workbee, ein HR-Start-up, das eine Million Euro von verschiedenen Investoren und Business Angels erhalten hat, und heynanny, ein Münchner HR-Tech-Unternehmen, das sich 1,6 Millionen Euro gesichert hat.

Im Podcast spricht Olav Sehlbach mit Christoph Schneeweiß über die Regeln einer Branche, die sich langsamer bewegt als die meisten anderen, die kleine Welt der Startup-Investoren im Pflegemarkt und wonach er entscheidet, in welche Startups er und sein Netzwerk investiert.


Wenn wir Glück haben.

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Das ganze Gespräch von Pflege Digital
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00:32 Christoph Schneeweiß: Herzlich willkommen bei Pflege Digital, dem Digital-Podcast für die Pflegebranche. Ich habe heute Olaf Sehlbach zu Gast. Normalerweise würde ich an dieser Stelle jetzt etwas zu seiner Funktion und zu dem Unternehmen etwas sagen. Das fällt heute etwas schwerer, denn Olaf ist jemand, der sehr viele Hüte gleichzeitig auf hat. Daher ist es wahrscheinlich am besten, wenn du dich mal selbst vorstellt Olaf. Hallo

Es wird noch einige radikale Umbrüche geben müssen, weil wir die Art der Pflege, wie wir sie im Moment ambulant stationär betreiben, nicht mit den Zahlen von 2035 schaffen.

00:55 Olav Sehlbach: Hallo Christoph, herzlichen Dank für die Einladung! Ich stell mich gerne vor. Drei Hüte, sage ich immer. Ich bin seit fast 30 Jahren in der Pflege tätig und wenn ich die Zeit, wo mein Vater in der Pflege tätig war, dazu packe, sind's inzwischen 40. Rolle eins: Ich habe mich 1995 als Berater selbstständig gemacht und seitdem berate ich Pflegeeinrichtungen viele Jahre im Thema Marketing und Belegungsmangement.

Daraus folgte dann die Kundenbefragung, die wir heute noch machen, und vor allen Dingen die Mitarbeiterbefragung Attraktive Arbeitgeber Pflege. Das ist das Berliner Büro und der zweite Hut, den ich auf hab. Ich hatte 2018 die Möglichkeit in eine Trägergruppe mit einzusteigen. Ich hatte zur Jahrtausendwende schon mal die Idee, was eine eigene Trägerschaft angeht, und 2018 gab es eine Möglichkeit, mit Kollegen in eine Trägergruppe einzusteigen, mit sechs Pflegeheimen, einer Pflegeschule und einer Mutter-Kind-Klinik. Da war ich jetzt zweieinhalb Jahre Geschäftsführer operativ. Das ist jetzt aber nicht mehr der Fall. Ich bin jetzt eher Gesellschafter und werde designierter Aufsichtsratsvorsitzender.

Und der dritte Hut ist - und deshalb treffen wir uns hier heute ja auch in erster Linie -, dass ich seit 2012 eine Startup-Finanzierung mache.

02:10 Christoph Schneeweiß: Es ist ein total spannendes Thema. Ich habe hier im Podcast im Rahmen der Tech-Talks die Startups. Auf der anderen Seite aber auch die Betreiber, die ja gerne auf die Lösung dieser Startups, aber später dann auch der Grown-ups zurückgreifen. Aber die Finanzierungsseite dieser jungen Unternehmen, die hatten wir noch nicht im Podcast.

Ich glaube, es ist ein sehr spannendes Thema und du bist ein prädestinierter Gast dafür, weil du eben beide Seiten kennst - sowohl die ganze Start-up-Thematik als auch die Betreiber-Thematik. Was treibt diese zwei Welten an?

Du hast allerdings noch nicht immer in Pflege-startups selbst investiert. Kannst du dich an dein allererstes Investment noch erinnern?

02:47 Olav Sehlbach: Ja, das kann ich ganz gut. Das war eine Online-Bibliothek für Recherche. Die sollte sich an Studenten richten, die Bücher online lesen und mit epubs durchführen, anstatt in die Stadtbibliothek zu gehen. Das klang total spannend und ein guter Freund hat mich darauf gebracht. Ein Freund, der selber ein Startup gegründet hat, in mehreren investiert war, fragte mich: "Hey, Du bist unternehmerisch tätig, Du hast Spaß an Neuem. Wäre nicht Startup-Finanzierung eine Idee, die dich interessieren würde?" Dann bin ich neugierig geworden und bin so 2012 zu meinem ersten Investment gekommen.

03:30 Christoph Schneeweiß: Was macht das Investment heute?

03:31 Olav Sehlbach: Pleite.

03:36 Christoph Schneeweiß: Ja, ich glaube, mit diesem Schmerz muss man als Startup-Investor umgehen können, oder?

03:42 Olav Sehlbach: Um das vorwegzunehmen: Startup-Investitionen sollte man nicht mit Geld tun, was man für irgendetwas braucht. Startup-Investitionen sind Hochrisiko-Kapital. Man muss ertragen, dass es weg ist. Es ist auch nicht so, dass man weniger wieder bekommt. Es ist einfach weg.

Wir lesen immer von den tollen Startups, wir lesen von den Einhörnern und die kennen wir komischerweise auch alle. Aber es gibt eben tausende andere, die wir nicht kennen und das hat seinen Grund. Weil es die meisten davon nicht geschafft haben. Als Investor muss man das aushalten – oder sollte man aushalten.

04:14 Christoph Schneeweiß: Auf Startup-Seite kann ich das nur bestätigen. Wir haben keine Investoren im Hintergrund, aber trotzdem viele Tage fühlen sich wie Entscheidungen auf Leben und Tod an. Ein junges Unternehmen ist einfach noch so ein fragiles Konstrukt. Da kann eine falsche Entscheidung direkt das Aus bedeuten und das ist natürlich dann aus Investoren-Sicht auch schade, weil man hat tatsächlich viel Zeit und Geld rein investiert.

Auf der anderen Seite hattest du ja aber auch branchenfremd erste Erfolge, wie ich auf der Website gesehen habe.

04:43 Olav Sehlbach: Durchaus auch einige Misserfolge. Es gibt ja auch die berühmte Fuck-up-Seite, wo sie beschrieben sind.

Die Fuck-ups von Olav Sehlbach

04:52 Christoph Schneeweiß: Olaf hat auf seiner Seite vom Büro Sehlbach auch eine sogenannte Fuck-up-Seite. Da steht ganz transparent drauf, wo er investiert hat und was nicht geklappt hat. Das machen nicht viele Investoren. Die schmücken sich lieber mit den Erfolgen.

05:10 Olav Sehlbach: Ich habe sehr viel Glück gehabt, muss man ganz klar sagen. Ich habe eine Investition, wo ich null mit gerechnet habe, wo dann im Investor-Sprech Faktor 17 rauskam. Sprich man hat das 17-Fache von dem bekommen, was man reingesteckt hat. Und das hat dann vieles kompensiert. Das ist das, warum man das auch macht, aber es ist nicht das, was man planen kann, dass man so einen Faktor bekommt.

Erstens schaffte das dann auch Möglichkeiten, überhaupt wieder zu investieren, weil natürlich sind Budgets begrenzt oder müssen begrenzt sein, denn es gibt immer wieder Ideen, die man machen könnte und immer wieder was Spannendes. Durch diesen Exit gab es eben die Möglichkeit wieder zu investieren.

05:51 Christoph Schneeweiß: Hast du dann bewusst von dir aus gesagt: "Jetzt habe ich in einigen Sachen außerhalb der Pflege gutes Geld verdient, an anderen habe ich mir die Finger verbrannt. Ab sofort setzte ich nur noch auf Pflege-Startups." Oder war das ein fließender Übergang?

06:05 Olav Sehlbach: Das war ein fließender Übergang. Ich bin ja auch noch beteiligt an zwei, drei Sachen, die nicht Pflege sind, weil einfach auch manche Geschichten etwas länger laufen, als man sich das vorgestellt hat. Der Exit, der in einem der Unternehmen vor fünf Jahren geplant war, findet jetzt vielleicht in 2025 statt - wenn wir Glück haben. Also da hat man dann auch Beteiligungen, die hat man einfach noch und da kommt man auch nicht raus.

Mit der Pflege, das hat damals mit Wer Pflegt Wie angefangen. Nach und nach lernt man natürlich auch die Pflegeszene kennen - und die professionalisierte sich ja dann auch mit Care for Innovation.

Da passierte dann auch immer mehr. Es wurde lauter in der Branche und das interessierte mich natürlich auch fachlich viel mehr. Dann habe ich irgendwann gesagt: Jetzt nur noch hier. Ich vermarkte ja selber seit 30 Jahren Produkte in die Pflege. Da verstehe ich, wie schwierig oder wie einfach das ist.

06:55 Christoph Schneeweiß: Mittlerweile hat sich natürlich auch die Finanzierungs-Szene ein bisschen geändert. Viele Gründer und Gründerinnen schauen natürlich auch darauf, dass sie auch ein bisschen Smart-Money mit an den an den Tisch bekommen. Smart Money heißt in dem Sinne, dass es nicht nur das reine Kapital ist, sondern eben auch ein großes Netzwerk und eine bestimmte Branchen- und Funktions-Expertise.

Das ist natürlich dann bei dir ganz gut aufgehoben: 30 Jahre Branchen-Erfahrung, selber Geschäftsführer, jetzt Gesellschafter bei einem Betreiber. Also was viel Besseres gibt's ja nicht für jemanden der im Age-Tech oder Care-Tech ein Startup aufbaut.

In welche Startups hast aktuell investiert? Kannst du da vielleicht zwei, drei nennen?

Die besten Investitionen in der Pflege

07:36 Olav Sehlbach: Ja, gerne. Ein Beispiel wäre Novaheal, die sich darum kümmern, die Pflegeausbildung zu digitalisieren. Was ich ganz spannend finde ist Navel Robotics – soziale Robotik, wo ein Roboter durch Mimik und eben nicht nur mit Sprache kommuniziert. Oder Melli, ein Chatbot der Menschen in ihrer Häuslichkeit Einsamkeit entgegenwirken will und Leute in Gemeinschaft bringen will. Das ist ein Startup, das ich ganz spannend fand, weil die Gründer selber einen ambulanten Dienst haben und bei ihren Kunden gesehen haben: hey, da ist ein Bedarf.

08:29 Christoph Schneeweiß: Zwei von den Kollegen sind übrigens auch bald hier im Podcast, das kann ich schon mal verraten. Wir stellen einmal Melli vor und einmal den ambulanten Träger dahinter.

08:38 Olav Sehlbach: Dann bin ich noch an noch an zwei weiteren beteiligt: Bei workbee geht es um die Vermittlung von Pflegekräften und bei Neotiv geht es um Alzheimer-Forschung und Diagnostik, da bin ich schon länger daran beteiligt.

Dann noch so Nebenthemen wie anni.care, wo es darum geht die Heil- und Hilfsmittelversorgung zu professionalisieren. Und dann noch ganz neu LAQA, der Pflegebecher.

09:13 Christoph Schneeweiß: Viele Care-for-Innovation-Mitglieder tatsächlich.

09:16 Olav Sehlbach: Das ist ein sehr enger Markt. Ich meine, wir kennen uns alle. Das ist ja das Schöne an der Pflege. Wie sagte mal ein guter Kollege von mir: In dieser Branche geht niemand verloren. Da ist sicherlich was dran.

Was man als Gründer auf keinen Fall sagen sollte zu einem Investor

09:26 Christoph Schneeweiß: Wie gehst denn du bei solchen Startup-Investments vor? Du hast vorhin gesagt: Dein Budget ist nicht unendlich groß, das heißt du musst auch sehr genau entscheiden in welche Unternehmen und Teams investiere ich? Folgst Du einem bestimmten Prozess, oder ist es eher ein Bauchgefühl?

09:45 Olav Sehlbach: Eine Mischung. Es ist kein standardisierter Prozess. Ich bin ja auch kein VC. Ich muss kein Investment-Gremium überzeugen. Ich muss mit mir selber klarkommen. Das Geschäftsmodell muss plausibel und schlüssig sein. Es kann nicht nur eine Idee sein, die sich nur finanziert über Fördergelder . Ich erkläre es mal im Negativen: Leute, die sagen "Wir revolutionieren die Pflege. Unsere Idee ist so toll, die wird sich alleine durchsetzen, das ist überhaupt kein Problem." Da würde ich sagen "Das kann ich dir aus 30 Jahren Erfahrung in der Vermarktung sagen, das ist ein Problem und das wirst du auch lernen, aber nicht mit meinem Geld."

Das kann ich dir aus 30 Jahren Erfahrung in der Vermarktung sagen, das ist ein Problem und das wirst du auch lernen, aber nicht mit meinem Geld.

Es muss schon eine Lösung sein und ein wirkliches Problem adressieren. Es kann nicht die 25. Weiterentwicklung in Nuancen sein. Mich interessieren eher neue Sachen oder neue Ideen. Aber am Ende ist es ein Bauchgefühl und das Bauchgefühl hängt in erster Linie davon ab, was sind das für Leute?

10:39 Christoph Schneeweiß: Wie kommen die Startups da zu dir? Bist du mittlerweile so bekannt, dass Leute Dir einfach so Pitch Decks zuschicken oder kommt das über Dein Netzwerk? Wie kommt man als Investor in so einer nichigen Branche zu neuen Gelegenheiten?

10:54 Olav Sehlbach: Da helfen natürlich 30 Jahre Branchen-Erfahrung. Da hilft natürlich auch, dass ich selber ein Produkt vermarkte. Das tue ich ja mit dem attraktiven Arbeitgeber und den Kunden immer noch. Mein Gott, man lernt sie halt kennen, man ist seit Jahren auf jeder Messe und natürlich inzwischen ist es so, dass Leute mich ansprechen.

Viele Empfehlungen: "Guck dir das mal an, ich hab das bekommen." Die Investoren kennen sich ja auch untereinander. Also ich hab viele Sachen von jemand zugeschickt bekommen, wo man woanders schon was zusammen gemacht hat. Ich habe eine ganze Menge Tipps von Leuten bekommen, mit denen ich nie zusammengearbeitet habe oder nie zusammen investiert habe, aber wo wir uns seit 20, 30 Jahren austauschen.

Ich habe jetzt einen vor Augen, der hat vor 15 Jahren sein Kind bei mir auf dem Bürotisch gewickelt. Wir kennen uns seit Ewigkeiten und er war super erfolgreich in anderen Startups. Wir haben nie zusammen gearbeitet, aber wir haben uns immer gegenseitig Tipps gegeben. So kommt man immer wieder an neue Ideen.

Die typischen Ticket-Größen für Investments

11:56 Christoph Schneeweiß: Für den Laien gesprochen: In welcher Größe bewegen sich denn normalerweise Investments von Business Angels? Sind das ein paar 10.000 Euro, oder sind das schon ein paar 100.000 Euro?

12:05 Olav Sehlbach: Das ist ganz witzig, weil wen man fragt fragt "Was wollt ihr denn?" dann sagen sie "100.000 Euro mindestens, gerne auch 250.000" Und wenn man dann hinterher auf die Cap Tables schaut, wo die Leute einsteigen, dann gibt es auch immer eine paar, die das für 25.000 Machen.

Ich steige mit 50.000 Euro meistens ein, das ist eine Summe, die ist substanziell, aber eben auch überschaubar. Das ist ein großes Learning aus den ersten Investments. Es Ist deutlich klüger, mal irgendwie anzufangen. Nach zwei Jahren gibt ja immer eine zweite und dritte Runde.

Übrigens eine Ergänzung noch zu deiner Frage vorhin . Inzwischen habe ich eine ganze Menge Startups auch über Startups kennengelernt. Letztens rief mich Turan Tahmas von Novaheal an: "Du, ich bin mit einem Kumpel essen. Willst du nicht dazu kommen, den solltest du mal kennenlernen." Auch das ist inzwischen etwas, wie man durchaus an neue Ideen kommt.

Wie der Care Venture Circle arbeitet

12:53 Christoph Schneeweiß: Dieses Jahr ging gerade durch die Presse, dass Du den Care Venture Circle gegründet hast. In diesem Zuge habt ihr eure Aktivitäten als Business Angel gebündelt. Da sind neben dir noch ganz andere Personen mit dabei. Einige davon waren auch schon hier im Podcast wie Stefan Ahrend. Kannst du mal etwas zum Care Venture Circle selbst sagen. Was ist die Idee dahinter?

13:14 Olav Sehlbach: Es gibt halt nicht viele Leute die ihn in Pflege investieren, und dann habe ich mal geguckt, wer sind denn die Leute die auch investieren oder investiert sind?

Ich habe glaub 15 oder 16 Leute angesprochen: Was haltet ihr davon, wenn wir uns zusammentun? Wenn wir uns eine gemeinsame Plattform geben? Wir wollten uns einfach ein bisschen eine Bühne geben, um früher von interessanten Startups zu erfahren. Das ist der Selbstzweck der Geschicht.

Der andere Zweck ist. Aber immer gibt es zwei weitere Zwecke. Die finde ich eigentlich mindestens so wichtig.

Der zweite Punkt ist: Man wird schneller in seinen eigenen Entscheidungen. Jetzt gibt's hier eine Bühne wo ich eine Email an 12 Leute schicken kann: Was haltet ihr denn davon?

Dann hilft es meiner Ansicht natürlich auch den Startups. Es ist ja eine unendliche Zeit, die Startups damit verbringen, irgendwelchen einzelnen Menschen zu überzeugen, wie toll sie sind. Meistens dauert sieben Monate, bis dann alle mal dabei sind, eine tatsächlich eine Unterschrift unter ein Dokument geben.

Die ganzen Leute die mit drin sind, da stecken oft große Unternehmen dahinter, aber sie investieren mehr als Privatleute. Deshalb sind die Budgets eben nicht, dass hier einer 300.000 € auf den Tisch legt, sondern eher mit kleineren Summen arbeitet und dann kann man das bündeln und kann auch sagen: Wenn es fünf gut finden, dann kann man mit einem reden und der redet dann für fünf.

Das beschleunigt einfach Prozesse, das macht die Sache einfacher . Frag mich in einem Jahr nochmal, ob die Idee aufgegangen ist. Wir haben ja gerade erst gegründet. aber das ist die Idee: schnell zu sein. Und wenn drei,vier Leute sagen "Wir finden das Startup interessant", dass sie sich schnell bündeln und gemeinsam verhandeln und das Startup nicht mit jedem Einzelnen durch so einen ganzen Prozess gehen muss.

Die größten Fehler von jungen Gründern

14:49 Christoph Schneeweiß: Was sind denn da deiner Meinung nach eigentlich für junge Unternehmen die größten Herausforderungen im Pflegemarkt? Um ein einigermaßen gutes Wachstum hinzubekommen.

14:58 Olav Sehlbach: Ich glaube also, eine der größten Herausforderungen ist die Trägheit der Branche. Sie ist zehnmal träger als man es glauben mag. Das sag ich nach 30 Jahren, ich bin immer noch überrascht. Es ist einfach manchmal unerträglich. Da ist die größte Herausforderung, allen, die aus dynamischen Märkten kommen wie etwa Software oder Telekommunikation,klar zu machen: Nur weil sie eine gute Idee haben und irgendwas viral geht, heißt noch lange nicht, dass es irgendeiner kauft. Die Entscheidungsprozesse der Pflege sind einfach unendlich und der Markt ist eben unendlich zerklüftet.

Nur weil sie eine gute Idee haben und irgendwas viral geht, heißt noch lange nicht, dass es irgendeiner kauft.

Es gibt immer wieder Leute, die glauben: Da ist ein Caritas-Haus, das kauft das. Das hat den CareTable gekauft. Dann müssen doch jetzt die 5000 Caritas-Häuser in Deutschland den CareTable danach kaufen. Ist doch total logisch! Selbst wenn ich mit einem bpa-Haus rede, heißt das noch lange nicht, dass alle bpa-Häuser was tun. Ich meine welche Träger haben schon Durchgriffsrecht?

Und nur, weil jemand glaubt, er hätte irgendjemand bei Korian kennengelernt oder bei Alloheim oder bei Pro Seniore, nur weil das ein Haus macht, heißt ja auch noch nicht gleich, dass die ganze Branche das tut.

Es ist unglaublich einfach 20 Heime zu finden, die das Prototyp-mäßig machen. Das ist nicht das Problem, aber dann die. 1000, 2000, die es braucht, also wenn Geschäftsmodelle davon abhängen, dass sie total skalieren in kurzen Zeiten, das ist schwierig. Und das Dritte ist, dass es für ganz viele Innovationen keine Finanzierung gibt.

Als Träger nehm ich das aus dem Budget, was ich hab. Das heißt es fehlt woanders. Ich muss mich also entscheiden, kaufe ich einen CareTable und sorge für eine bessere Betreuung meiner Bewohner, oder mache ich eine Mitarbeiter- oder Kundenbefragung und sorge für bessere Entscheidungsgrundlagen - oder investiere ich in etwas ganz anderes?

Das sind alles Dinge, die muss ich nicht haben, die wären aber schön, wenn ich sie hätte. Damit stehen wir alle untereinander in einem riesigen Wettbewerb um ein sehr, sehr kleines Budget. Diese Idee, die eben auch Branchenfremde haben, also gerade die ganzen Menschen die Kommunikation verbessern wollen.

Das ist doch total sachlogisch. Wenn die besser kommunizieren, dann hätten die mehr Zeit für ihre Bewohner. Ja! Das heißt aber noch lange nicht, dass ich deshalb 10.000 € im Jahr ausgebe, um eine Software zu mieten oder zu kaufen, die die Kommunikation verbessert.

17:10 Christoph Schneeweiß: Viele Träger haben gar nicht die Möglichkeit, vorab zu investieren, in der Hoffnung, dass es die Rechnung hintenrum aufgeht, dass man dann eben weniger Zeit für dies und jenes braucht. Das ist ein Problem ganz vieler Lösungen. Sei es das digitale Inko-Material, oder smarte Pflegebetten und so weiter.

Ganz wenige Träger sind bereit, diesen Premium-Schritt von analog zu digital zu bezahlen. Auch wenn die Vorteile eigentlich auf der Hand liegen sollten. Einfach, weil heute das Geld nicht da ist dafür.

Was uns am härtesten getroffen hat, war, als wir bei einer Investitionsentscheidung für einen CareTable gegen ein Elvis-Double für ein Sommerfest verloren haben. Das muss man sich mal vorstellen, dazwischen wird dann eben abgewogen und das macht es vielen Startups eben nicht leicht.

Trotzdem siehst du ja aber etwas in diesen Pflege-Startups, obwohl du drei Punkte genannt hast wie ein sehr zerklüfteter Markt und ein sehr schwieriges Finanzierungsumfeld. Warum sagst du, das lohnt sich trotzdem dort zu investieren?

18:06 Olav Sehlbach: Ich bin jetzt seit 30 Jahren in der Pflege, da muss sich was tun! Das, was wir da im Augenblick machen, das ist demographisch gesehen Vorgeplänkel. Ab 2035 wird es spannend. Wir haben die Leute nicht und wir werden sie nicht haben. Es werden auch die Ressourcen nicht größer werden. Das heißt wir müssen mit ganz anderen Organisationsmodell arbeiten. Wir werden mit weniger Leuten, die höher qualifiziert sind und die besser technisch unterstützt werden, das machen müssen, sonst bricht das System zusammen.

Wir haben die Bewohnerinnen und Bewohner, die müssen versorgt werden, also tun wir das. Es wird noch ein paar radikale Umbrüche geben müssen, diese Art der ambulant stationären Pflege, wie wir sie im Moment betreiben, werden wir nicht mit den Zahlen von 2035 und 2040 machen können. Da gibt es weder die Menschen für noch die Ressourcen. Also werden wir das irgendwie umstellen müssen und dabei wird es Digitalisierung geben. Das ist aber ein Marathon, das ist keine Kurzstrecke, was wir hier machen.

Die Pflege ist halt langsamer in ihren Entscheidungsprozessen als viele andere Branchen. Aber auch hier ist es ja nicht so, dass es keine Digitalisierung in der Pflege gibt.

Warum müssen Pflegekräfte durch 1000 Gänge laufen, weil jemand etwas braucht für Kommunikation? Da wird noch eine ganze Menge geschehen. Was sich da durchsetzt, das wird einfach der Markt zeigen. Definitiv werden nicht alle Startups, die jetzt am Markt sind und Lösungen schaffen, durchkommen.

19:19 Christoph Schneeweiß: Gibt es da bestimmte Technologien, die du dir insbesondere gerade anschaust?

19:23 Olav Sehlbach: Allein von meinen Beteiligungen her bin ich da relativ aufgeschlossen und breit aufgestellt, da interessiert mich eher das Pflege-Thema an sich. Am Ende geht es ja nur darum, dass man es ausprobiert.

Also der Appell an die Träger etwas auszuprobieren. Man wird nie etwas herausfinden, wenn man nicht irgendwas ausprobiert und ich finde es müssen auch nicht alle Träger alles ausprobieren. Wenn jeder mal was ausprobiert, dann wäre auch schon geholfen.

Was die Pflegebranche am dringendsten braucht

19:43 Christoph Schneeweiß: Also ich sag mal als Startup-Gründer würde es mich sehr freuen, wenn sich ein paar mehr Türen öffnen würden, wenn man daran klopft. Damit zum Abschluss die Frage: Was würdest du dir denn denn für die Zukunft der Pflege wünschen, damit sich eben Technologien besser durchsetzen können?

20:00 Olav Sehlbach: Ein bisschen Mut. Was hat man zu verlieren? Mein Gott. Irgendwie mal was ausprobieren. Einfach mal vor die Tür gucken und vielleicht mal sagen: "Das find ich interessant, das machen wir mal." Es gibt so viel Bedenkenträgerschaft und so viel Langsamkeit in der branche. Wenn wir irgendwie mal andere begeistern wollen in diese Branche reinzukommen, dann sollten wir vielleicht aufhören, uns selber zu bemitleiden, wie grausam es ist. Und damit meine ich nicht die Branche an sich, sondern den einzelnen Träger vor Ort.

Es bleibt Licht am Ende des Tunnels und daher Dankeschön Olaf, dass du dir die Zeit genommen hast mit mir über den Care Venture Circle und über deine Investment-Aktivitäten zu sprechen. Und auch, dass du weiterhin trotz aller Schwierigkeiten und Herausforderungen in der Branche, diese Investitionen in Zukunftstechnologien tätigst.

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